Positionspapier: Lehre in Zeiten von Corona

1) Präsenzlehre nur unter sicheren Bedingungen

Es ist aus unserer Sicht unerlässlich, dass sich das Grundverständnis der Universität in Bezug auf gute Lehre während einer Pandemie wandelt. Statt kontinuierlich „so viel Präsenz wie möglich“ anbieten zu wollen und immer wieder darauf zu hoffen, dass das nächste Semester fast wieder normal ist, braucht es einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Virus. Das bedeutet, auch auf Präsenz zu verzichten, so lange Studierenden und Lehrende einer direkten gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt sind. wenn sie möglich ist. „So viel wie nötig“ wäre ein viel besserer Leitsatz für diese Zeit. Es kann nicht sein, dass wir im Privaten auf fast alles verzichten, aber im Arbeitsumfeld bzw. im Studium alles beinahe wie immer ist.

Damit Studierende, die beispielsweise über keine stabile Internetverbindung verfügen, nicht durch die Online-Prüfungen benachteiligt werden, ist es wichtig, Lernräume an der Uni bereitzustellen. Einige Studierende benötigen die ruhige Arbeitsatmosphäre, Endgeräte und eine stabile Internetverbindung, um ihr Studium erfolgreich fortsetzen zu können. Außerdem gehört zu guter Lehre in Zeiten von Corona auch, dass Geld für mehr Server-Kapazitäten, Software-Lizenzen, Fortbildungen in digitaler Lehre, etc. ausgegeben wird.

Für alle notwendigen Präsenzveranstaltungen ist es auch unerlässlich, dass die Universität sich den Vorgaben von Bund und Länder anpasst. Es kann nicht sein, dass im ÖPNV inzwischen eine Verpflichtung für medizinische Masken bzw. FFP2-Masken gilt, in der Uni aber Alltagsmasken genügen. Die Uni hat erst auf Bestreben der Studierendenvertretung die Nutzung medizinischer Masken empfohlen. Solche Schritte sollten aus Eigenverantwortung erfolgen.

Es kann zudem nicht sein, dass Studierende, die auf Mitglieder ihres Haushalts, enge Angehörige, Partner*innen Rücksicht nehmen müssen, dafür bestraft werden. Die Pandemie mahnt uns, unsere sozialen Kontakte zu minimieren. Es ist besondere Rücksicht auf Menschen mit Risikofaktoren zu nehmen. Es darf nicht die Leitlinie der Uni sein, dass diejenigen Menschen, die genau das umsetzen, ihre Module nicht abschließen können.

Gerade angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Corona-Mutationen und nach wie vor hohen Inzidenzwerte, wegen derer wir uns seit 4 Monaten im Lockdown befinden, braucht es digitale Alternativen zu Präsenzprüfungen, die teils auch sehr kreativ gedacht werden müssen:

  • Im Fach Anglistik können statt Auslandsaufenthalten fiktive Reiseberichte abgegeben werden, die von einer Recherche zum jeweiligen eigentlich zu bereisenden Land zeugen
  • „Sammelmappen“ mit wöchentlichen Übungsblättern haben sich sogar in Mathematik-Kursen mit 300 Menschen des Fachs Grundschullehramt als Alternative zu klassischen Prüfungen erwiesen
  • Mit Gruppenarbeiten könnte zudem aus der Not eine Tugend gemacht werden, da hierdurch soziale Fähigkeiten gestärkt werden, die ansonsten oftmals zu kurz kommen
  • Hausarbeiten, Essays und noch kürzere wöchentliche Abgaben
  • mündliche Online-Prüfungen
  • Koffer- bzw. open book-Klausuren
  • Mehr digitale Klausuren
  • Bei allen alternativen Prüfungsformaten muss sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer*innen diese unter denselben Bedingungen durchführen können.

Schlussendlich ist es, wenn auch längst nicht bei allen, bei einigen Modulen durchaus möglich diese ohne eine Prüfung abzuschließen.

2) Digitale Lehre unter Wahrung der Privatsphäre

Die beiden vergangenen Semester haben gezeigt, dass Online-Lehre nicht einfach digitalisierte Präsenzlehre ist. Wir haben uns auf völlig neue Software, Unterrichtsstile und -methoden und Umstellung unserer Work-Life-Balance, die im Studium sowieso schwammiger als im Arbeitsleben ist, eingestellt. Parallel sind bei vielen von uns Nebenjobs weggefallen, es musste teils umgezogen werden, …

Vor dem Hintergrund all dieser Veränderungen kam eine weitere Sorge hinzu: Kamerapflichten. Teils sogar in Vorlesungen und großen Seminaren wurde darauf bestanden, dass Kameras immer eingeschaltet sind, obwohl es dafür keinerlei rechtliche Grundlage gibt.

Sollte es weiter vorkommen, dass Studierende aufgrund der Kamerapflicht widerrechtlich aus entsprechenden Kursen entfernt werden, weil sie zum Beispiel keine Kamera haben oder diese nicht anmachen, muss dies binnen einer Woche geklärt werden, sodass die jeweiligen Studierende wieder an ihren Kursen teilnehmen können. Zusätzlich muss ihnen in solchen Fällen der verpasste Lernstoff zur Verfügung gestellt werden und eine Fristverlängerung für Abgaben eingeräumt werden.

Darüber hinaus bitten wir auch darum, sich das von Studierendenkollektiv und AStA erstellte Memorandum mit Problemen der Kamerapflicht zu Herzen zu nehmen. Vielfach existiert aktuell schlichtweg keine funktionsfähige Webcam und Studierende, die nach dem Verlust ihres Nebenjob um ihre Existenz bangen, haben nicht die finanziellen Mittel, mal eben so eine entsprechende Kamera anzuschaffen. Wir honorieren an dieser Stelle, dass die Universität versucht, dem durch einen Laptop-Verleih entgegenzuwirken. Darüber hinaus besteht aktuell auch das Problem, dass einige Studierende aus finanziellen Nöten ihre eigene Wohnung haben aufgeben müssen und jetzt ohne einen eigenen Arbeitsplatz sind. Es ist nicht zumutbar, das Einschalten einer Kamera zu verlangen, wenn Geschwister oder Eltern immer wieder zu sehen sind.

Aber auch die eigene Privatsphäre sehen einige Studierende gefährdet, zumal ZOOM nicht verhindern kann, dass mit weiterer Software Aufnahmen angefertigt werden. Das Recht am eigenen Ton und Bild ist somit stark gefährdet. Wir bitten daher darum, dass Dozierende über diese Problemlagen aufgeklärt werden. Sollte dann in einem kleinen Seminar eine Person nicht ihre Kamera einschalten wollen, so sollte mindestens ein Kommunikationsversuch über die Hintergründe unternommen werden, bevor die Person des Kurses verwiesen wird. Aus Datenschutzgründen sollte die Universität auch über Alternativen zu ZOOM nachdenken. Viele Studierende würden sich mit einer Lösung wohler fühlen, die nur eine Einsicht der Kameraaufzeichnung durch die Dozierenden zulässt. Wenn andere Studierende nicht oder nur nach Zustimmung das eigene Bild sähen, würden die Privatsphäre und die Datenschutzrechte besser gewahrt.

3) Qualitativ hochwertige digitale Lehre

Wir sind der festen Überzeugung, dass ein Verzicht auf Präsenzlehre nur mit guter digitaler Lehre auf Dauer gerechtfertigt werden kann. Dass dies möglich ist, haben diverse Dozierende im vergangenen Jahr immer wieder unter Beweis gestellt. Wir fordern daher, dass gute digitale Lehrkonzepte mehr gefördert werden. Wer guten Lehre betreibt, hat für das vergangene Semester einen Preis verliehen bekommen. Diese Personen müssen aber mehr als eine einmalige Auszeichnung erhalten. Ihre Konzepte müssen zum Vorbild werden und ihnen muss die Chance geboten werden, diese Konzepte in entsprechenden Präsentationsformaten weiterzugeben. Darüber hinaus sollten die Grundlagen-Workshops zu den Funktionen von ZOOM, Moodle, etc. verstärkt unter den Lehrenden beworben werden. Es hilft niemandem, wenn eine Tafel gefilmt wird, auf der niemand etwas erkennen kann, wenn das gleiche Ergebnis durch das Teilen des Bildschirms erreicht werden könnte. Die Möglichkeiten zu solchen Kursen und Einführungen stehen allen Dozierenden offen, müssen aber stärker genutzt werden. Fortbildungsangebote müssen den Lehrenden, auch Hilfskräften aller Art und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, aktiv unterbreitet werden. Studentischen Hilfskräften sollen technische Hilfsmittel wie Tablets schneller und einfacher zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen digitaler Lehre müssen sich auch die Prüfungsmodalitäten ändern. Zu vermeiden ist aber explizit, dass ein doppelter Aufwand entsteht. Der Ersatz für eine unbenotete Abschlussarbeit können nicht wöchentliche Essays und eine
lange schriftliche Ausarbeitung sein. Weder wird das dem Zeitaufwand der Leistungspunkte gerecht, noch hilft es irgendwem, wenn Dozierende die gesamten Semesterferien über Aufgaben auswerten müssen. Eine weitere Anregung zu einer besseren digitalen Lehre besteht darin auszuloten, ob es möglich ist, einen sicheren Außenzugriff auf Rechner der Uni zu gewährleisten. Auf diese Art und Weise könnten Studierende, die sich für ihr Fach relevante Software nicht leisten können, weiter damit arbeiten. Außerdem würden wir es begrüßen, wenn die Universität neben der etablierten freiwilligen Evaluation von Veranstaltungen durch die Lehrenden ein zentrales Portal einrichten würde, das Studierenden erlaubt, Veranstaltungen zu bewerten, die sie besucht haben. Dabei ist sicherzustellen, dass Studierende nur eine Bewertung pro Kurs abgeben können und dass die Evaluationen nur durch die zentrale Stelle einsehbar sind. Dadurch werden auch die Daten der Dozierenden geschützt. Dadurch könnten gerade zum aktuellen Zeitpunkt (digitale) Lehrkonzepte gefunden werden, die bei den Studierenden gut ankommen.

Positionspapier des Bündnisses für Gute Onlinelehre